IYENGAR Yoga

Was ist Yoga?

Diese Frage wird ganz unterschiedlich beantwortet, je nachdem, wen man fragt. So gebe ich hier ein paar Definitionen, die mich ansprechen, in der Hoffnung, dass sie auch bei Dir anklingen:


  • Universeller Pfad: «Es ist nicht der Sinn des Yoga, irgendeiner Gesellschaftskultur als Religion oder Dogma zu dienen. Zwar entspringt er in seinen Wurzeln der Erde Indiens, doch ist er als universeller Pfad gedacht, als Weg, der allen ihrer Geburt und Herkunft ungeachtet offensteht. Patanjali* benutzte vor etwa 2,500 Jahren den Ausdruck sarvabhauma – universell.» (B.K.S. Iyengar, Licht fürs Leben, 2007, S. 18)


  • Den Geist zur Ruhe bringen: «yogas citta-vrtti-nirodhah – Yoga ist das Aufhören aller Bewegungen im Bewusstsein» (B.K.S. Iyengar, Der Urquell des Yoga – Die Yoga Sutras des Patanjali, 2010, S. 83)


  • Gleichmut bewahren: «Vollziehe Dein Handeln in der Grundhaltung des Yoga, wobei du das Anhaften aufgegeben hast, o Schatz-Bezwinger, indem du Gleichmut bei Erfolg und Misserfolg bewahrst. Gleichmut bewahren – das ist Yoga!» (Michael von Brück, Bhagavad Gita, Der Gesang des Erhabenen, 2. Kapitel, Vers 48, 2015, S. 23)


  • Das Göttliche in uns selbst erkennen: «Yoga ist eine Methode, die den Menschen mit Gründlichkeit und Tüchtigkeit systematisch lehrt, das Göttliche in einem selbst zu suchen und zu erkennen.» (Grundrichtlinien für Yogalehrererinnen und -lehrer, B.K.S. Iyengar, Geeta S. Iyengar, Berlin, 2. Auflage Juli 2006, S. 87)


*Patanjali gilt als Autor, als Verfasser des ältesten Werkes über Yoga, die Yoga-Sutras. Diese 195 (manchmal 196) systematisch angeordneten Lehrsätze sind die älteste erhaltene schriftliche Quelle des Yoga. Man nimmt an, dass sie zwischen 400 v. Chr. und 200 n. Chr. entstanden sind. Sie sind das Fundament des Yoga. Wichtig zu verstehen ist, dass diese Sutras der Interpretation bedürfen, und so gibt es Kommentare und Übersetzungen von zahlreichen Menschen. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit denjenigen von B.K.S. Iyengar, aber auch die Übersetzungen und Kommentare von T.K.V. Desikachar sprechen mich an. Ebenfalls möchte ich erwähnen, was Georgie Grütter in ihrem sehr schönen Buch zur Yogaphilosophie schreibt. Betreffend Verständnis der Yoga-Sutras heisst es: «Eine andere beziehungsweise ergänzende Methode ist die intuitive Annäherung, das heisst, der Text wird eher meditativ erfasst und verstanden. Die intuitive Annäherung stellt eine Art Resonanzboden dar, der es dem sadhaka (Praktizierender) ermöglicht, die Essenz der Sutras mit dem Herzen zu erfassen» (Yoga Philosophie, Georgie Grütter, Yoga Mitte Bücher, Berlin 2014). Wer schon einmal bei der Lektüre eines Textes das Gefühl hatte, Musik zu hören, weiss wovon sie spricht.


U.a. finden wir in den Sutras die Gliederung des Yoga-Weges in einen achtfachen Pfad (ab Sutra II.29):


Hier eine kurze Darstellung der acht Glieder:


  • Yama – allgemein ethische Gebote, soziale/äussere Disziplin. Es sind dies: 1) Gewaltlosigkeit; 2) Wahrhaftigkeit in Gedanken, Wort und Handlung; 3) Nicht-Stehlen und uns vom Wunsch zu lösen, Dinge zu haben, die uns nicht gehören; 4) Mässigung in all unserem Tun; 5) Fähigkeit sich auf das zu beschränken, was wir brauchen und nur das anzunehmen, was uns zusteht.
  • Niyama – Selbstreinigung durch innere Disziplin: Es sind dies: 1) innere und äussere Reinlichkeit; 2) Bescheidenheit und Zufriedenheit; 3) Selbstdisziplin in Bezug auf Körper- und Atemübungen, auf unsere Ernährung, Schlaf und den Umgang mit Arbeit und Erholung; 4) Selbsterforschung und immer wieder unsere eigene Entwicklung überprüfen; 5) Ehrfurcht gegenüber einer höheren Kraft und Hingabe an das, was keinen Namen hat.
  • Asana – Körperhaltungen
  • Pranayama – Die Kunst des Atmens
  • Pratyahra – Das Nach-Innen-Richten oder Zurückziehen der Sinne
  • Dharana – Konzentration
  • Dhyana – Meditation
  • Samadhi – Aufgehen des Bewusstseins im Selbst


B.K.S. Iyengar weist immer wieder darauf hin, dass diese acht Aspekte wie acht Facetten des Yoga sind. Ein Gleichgewicht ist wichtig, ebenso das Verständnis, dass Yama und Niyama das Fundament sind. Denn was nützt das «perfekteste» Asana (Körperstellung), wenn ich zum Beispiel nicht wahrhaftig oder ständig unzufrieden bin? Oder mit anderen Worten: Yoga ist eine Lebensweise und findet nicht nur auf der Matte statt, sondern soll auch im Alltag umgesetzt werden. Dies wird auch im Sutra I.33 beschrieben, ein sehr zentrales Sutra, welches Georgie Grütter in ihrem oben zitierten Buch unter dem Titel «die vier Unermesslichen» beschreibt, nämlich Güte (maitri), Mitgefühl (karuna), Freude (mudita) und Gelassenheit (upeksanam). Für die Übersetzung des ganzen Sutras zitiere ich die Übersetzung von T.K.V. Desikachar, sie gefällt mir sehr gut: «Wenn es uns gelingt, ein liebevolles Gefühl den Menschen gegenüber zu hegen, die glücklicher sind als wir, Mitgefühl mit denjenigen zu haben, die unglücklich sind, uns zusammen mit denen zu freuen, die etwas Wertvolles tun, und uns nicht durch Irrtümer anderer Menschen aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, wird in unserem Geist Ruhe einkehren». (Über Freiheit und Meditation – Das Yoga Sutra des Patanjali, Übertragung und Kommentar von T.K.V. Desikachar, Via Nova, 1997)


Da ich auch politisch/soziologisch interessiert bin, spricht mich dieses Sutra sehr an. Denn wäre das nicht eine wunderbare Anleitung, wie wir als Menschheit ein friedliches und würdiges Zusammenleben gestalten können, zum Wohle aller Wesen und von Mutter Erde?

Was ist Iyengar-Yoga?

Iyengar-Yoga ist ein Yogaweg, der uns körperlich, geistig und seelisch bereichert und uns in unserer persönlichen Entwicklung unterstützt.


B.K.S. Iyengar ist der Begründer des Iyengar-Yoga (wer mehr über ihn erfahren möchte, findet unter „Wer ist B.K.S. Iyengar?“ weitere Details).


Wer die Bücher von B.K.S. Iyengar liest, erkennt, wie wichtig es ihm war zu verstehen, dass der physische Körper nicht getrennt von Geist und Seele existiert und er nicht zwischen körperlichem und spirituellem Yoga unterscheidet.

 

Erwähnen möchte ich auch die vier Aspekte, die für die Übungspraxis und den Unterricht im Iyengar-Yoga wichtig sind:


  • Präzision: Es ist eine Einladung an alle, beim Ausführen der Körperstellungen (Asanas) und der Atemübungen (Pranayama), genau, konzentriert und wachsam zu sein. Unterstützt wird das im Unterricht durch sehr präzise Anleitungen. Ziel ist eine korrekte Körperausrichtung in allen Asanas. Dabei entwickeln wir ein immer präziseres und tieferes Körperbewusstsein und können unsere Knochen, Muskeln, Nerven und Organe immer besser ausrichten, damit Leichtigkeit ins Asana kommt. Durch diese Konzentration wird der Geist ruhiger und klarer. Es versteht sich von selbst, dass das Entdecken und Lernen nie aufhört - wie in allen anderen Lebensbereichen auch.


  • Timing: Um diese Feinarbeit zu machen, braucht es ein längeres Verweilen im Asana. Und es braucht auch Zeit, damit z.B. die hormonellen und nervlichen Prozesse in Gang kommen und wirken können.


  • Sequenzing: Wir achten auf eine sinnvolle Abfolge der Asanas, denn je nach Reihenfolge entsteht am Ende ein anderer Zustand in Körper und Geist. Wichtig ist auch ein Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung, von Ausdauer und Stabilität.


  • Props (Hilfsmittel): Der Gebrauch von Hilfsmitteln hängt eng mit Präzision und korrekter Ausrichtung im Asana zusammen. Denn mit den von B.K.S. Iyengar entwickelten Hilfsmitteln gelingt es mehr Menschen, sich der korrekten Ausrichtung anzunähern, tiefer ins Asana einzutauchen und länger in einer Stellung zu bleiben. So wird die Erfahrung umfassender und die Wirkung tiefer.


Für wen ist Iyengar-Yoga geeignet?

  • Iyengar-Yoga ist für alle Menschen, die sich auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene etwas Gutes tun wollen. Alle sind willkommen! 


  • Jedes Alter eignet sich für den Einstieg und birgt seine spezielle Herausforderung. Ü17 ist genauso gut wie Ü71. Es kann auch im hohen Alter mit Yoga angefangen werden.


  • Auch Bewegungsmuffel und Menschen ohne Körperbewusstsein können Iyengar-Yoga lernen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Wichtig sind Geduld, Beharrlichkeit, Freude am Lernen, Ehrlichkeit mit sich selber und Vertrauen in die eigene Entwicklungsfähigkeit. Ich z.B. brauchte sieben Jahre bis ich es endlich alleine in den Handstand schaffte!


  • Auch für Menschen, die denken, sie seien zwar sportlich aber völlig steif und unflexibel ist Iyengar-Yoga geeignet. Denn es geht nicht darum, im Stehen, mit gestreckten Beinen mit flachen Händen den Boden zu berühren oder sich sonst möglichst kunstvoll zu verrenken. Im Yoga steht nicht die Beweglichkeit im Fokus, sondern die korrekte Ausrichtung, Koordination und Stabilität. Daraus ergibt sich dann die Beweglichkeit. Dieses Verständnis ist für eine gesunde Yogapraxis sehr wichtig. Zudem helfen die von B.K.S. Iyengar entwickelten Hilfsmittel im Gruppenunterricht auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen, damit jeder und jede das Asana ausführen kann.


Mögliche Früchte, die wir ernten können, wenn wir auf dem Yogaweg sind:


  • Wir erhalten unsere Stabilität und Mobilität, respektive verbessern sie oder bauen sie wieder auf (z.B. nach einem Unfall oder wenn wir jahrelang unseren Körper vernachlässigt haben).


  • Wir werden robuster, kräftiger und gleichzeitig schwereloser.


  • Wir werden achtsamer, klarer, gelassener.


  • Wir erhöhen unsere Widerstandsfähigkeit und unser Selbstvertrauen.


  • Wir werden genügsamer.


Mir ist es wichtig, dass es nicht darum geht uralt zu werden, sondern darum, ein gutes, freies und würdiges Leben bis ins hohe Alter zu haben, sowie in die Heilkräfte unseres Körpers zu vertrauen, wenn wir gut zu ihm schauen. Und wenn es dann trotzdem noch zwickt und zwackt, innerlich gelassen und froh zu bleiben.

Wer ist B.K.S. Iyengar?

B.K.S. (Bellur Krishnamachar Sundararaja) Iyengar wurde am 14. Dezember 1918 in Bellur, im Süden Indiens, geboren. Er widmete sein Leben seit frühester Jugend und bis zu seinem Tod am 20. August 2014 dem Studium und Unterricht des Yoga.


B.K.S. Iyengar lebte in Pune, wo er 1975 das heute weltbekannte Ramamani Iyengar Memorial Yoga Institute (RIMYI) gründete. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und gelten weltweit als Standardwerke für das Studium auf dem Yogaweg.

Dank seines Schülers und Freundes, dem weltbekannten Musiker Yehudi Menuhin, wurde B.K.S. Iyengar und seine Methode, den Yoga zu unterrichten und den Menschen näherzubringen, schon in den 1950er-Jahren im Westen bekannt. Inzwischen können wir Yogaschulen, in denen nach der Methode von B.K.S. Iyengar unterrichtet wird, auf der ganzen Welt finden (siehe dazu auch «Wie es dazu kam»).


Wer mehr wissen möchte, findet hier weitere Details zu seinem Lebenslauf und Wirken.

Share by: